Über die Gründe für den kräftigen Aufgalopp an Europas Börsen braucht man nicht lange zweifeln. Die Aussichten auf ein Ende des Ukraine-Krieges treiben die Kurse an. Die Aktienindizes aus Slowenien, Polen und der Tschechischen Republik legten seit Jahresanfang jeweils um bis zu 20 % zu. Einmal mehr zeigt sich, wie sensibel die Schwarmintelligenz der Finanzmärkte für künftige Chancen und Risiken ist. Der schottische Moralphilosoph Adam Smith hatte diese Lenkung im Sinn, als er von einer ´unsichtbaren Hand´ schrieb.
Neben der Responsivität osteuropäischer Aktien bezüglich der Hoffnung auf ein Kriegsende in diesem Jahr stechen aber weitere aktuelle Börsenentwicklungen ins Auge. Der deutsche Aktienmarkt verlockt seit Wochen durch starke Avancen. Auffällig daran ist die neu gewonnene Breite der Kursanstiege, denn nach Jahren der Zurückhaltung nehmen auch Aktien aus der zweiten und dritten Börsenreihe an den Kursanstiegen teil. Selbst M-DAX und S-DAX liegen nach Jahren der Müdigkeit seit Anfang des Jahres fast zweistellig im Plus. Vergessen wir aber nicht, dass DAX und M-DAX zeitgleich mit einem Ausgangswert von 1.000 im Jahr 1988 eingeführt wurden, woran man ersieht, dass sich Aktien der zweiten Reihe historisch besser entwickelt haben als jene der Großunternehmen.
Die beschriebene Indexentwicklung ist von Bedeutung, denn gerade Unternehmen aus der zweiten und dritten Börsenreihe sind aufgrund ihrer im Vergleich zu den Großunternehmen geringeren Internationalität den erodierenden Standortbedingungen Deutschlands besonders ausgeliefert. Wenn der deutsche Aktienmarkt unter den großen Börsen Europas positiv herausragt, dann liegt dies gewiss an einer Hoffnung auf klügere Wirtschaftspolitik nach der anstehenden Bundestagswahl.
Ungeachtet dessen waren es in den letzten Wochen die Weltunternehmen SAP, Siemens und Deutsche Telekom, die ihren vor Jahren begonnenen Aufwärtspfad konsequent fortsetzten. Dabei ist jedoch im Hinterkopf zu behalten, dass diese Unternehmen ihre Umsätze und ihren Gewinn ganz überwiegend im Ausland erwirtschaften. Mit Blick auf SAP und Siemens ist es gut, daran zu erinnern, dass Amerikaner hier die größten Anteile halten, wie das bekanntlich bei vielen deutschen Aktien der Fall ist. Lediglich bei der Deutschen Telekom sorgt der Staatsanteil von derzeit 27,8 % dafür, dass die nordamerikanischen Kapitalsammelstellen nicht die größte Aktionärsgruppe darstellen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns