Commerzbank im Staatstheater

Die Commerzbank ist in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten. Es war die Bundesregierung, die den Ball ins Rollen brachte, nachdem sie sich angesichts großer Löcher im Bundeshaushalt entschieden hatte, die im Staatsbesitz befindlichen Commerzbank-Aktien sukzessive abzuverkaufen.

Aus gleichen Gründen hatte zu Beginn des Jahres der Bund bereits einem Teil seiner Post-Aktien (inzwischen DHL Group) auf den Markt geworfen. Ordnungspolitisch sind beide Verkäufe sinnvoll.

In die Schlagzeilen gelang der Aktienverkauf bei der Commerzbank aber dadurch, dass der Käufer die italienische UniCredit war. Das Mailänder Kreditinstitut erwarb daraufhin am Markt weitere Aktien der Commerzbank und verkündete, eine vollständige Übernahme anzustreben.

Seither liegen die Nerven in der Ampel-Regierung blank. Während Bundeskanzler Scholz eine unangemessene und feindliche Übernahmesituation diagnostizierte, ruderte Finanzminister Lindner zurück und befand kurzerhand, dass ein weiterer Verkauf von im Staatsbesitz befindlichen Aktien gestoppt würde.

Wie sehr Deutschlands Finanzmarktpolitik seit Jahrzehnten im Argen liegt, lässt sich anhand des Commerzbank-Theaters gut nachvollziehen. Zunächst fällt auf, dass Banken in Deutschland strukturell eine schwache Profitabilität aufweisen. Das Land gilt als überversorgt mit Kreditinstituten. Größter Marktteilnehmer ist zu allem Überfluss der Staat, der mit einem flächendeckenden Sparkassennetz, etlichen Landesbanken, dem Fondsmanager Deka und der KfW nahezu alle Segmente des Finanzmarktes abdeckt. Derweil mussten sich etliche der größeren privaten Banken (Dresdner Bank, Bayerische Vereinsbank, Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank) unter den Schutzschirm anderer Institute begeben.

Europas wertvollste Banken domizilieren heute in Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Verglichen mit US-Bankkonzernen sind auch die größten europäischen Institute mickrig. An dieser Stelle offenbart sich ein tiefer Graben zwischen den Kontinenten. Während Amerika einen riesigen Kapitalmarkt und hohen durchschnittlichen Wohlstand aufweist, zeigt sich Europa und vor allem der deutsche Finanzmarkt als Zwerg. Einzelne amerikanische Aktien sind an der Börse nahezu doppelt so wertvoll wie der gesamte deutsche Aktienmarkt. Hauptgrund dafür ist neben einer fehl verstandenen Risikoaversion das deutsche Rentensystem, dass man – anders als in den meisten anderen Ländern – stets vom Generationenvertrag besessen war und kapitalmarktgedeckte Systeme konsequent ablehnte. Heute kann jedermann sehen, dass das deutsche System angesichts der seit Jahrzehnten bekannten demografischen Entwicklung gescheitert ist. Die derzeitigen schüchternen Bemühungen, den Einstieg in eine Aktienrente endlich voranzubringen, kommen fünfzig Jahre zu spät und sind viel zu gering dotiert. Auch dieser deutsche Sonderweg hat sich als Torheit erwiesen und den Wohlstand der Bürger drastisch geschmälert. Man vergleiche etwa die regelmäßig erscheinenden Vermögensberichte, die diesbezüglich ein deutliches und zugleich unbehagliches Bild der Sachlage liefern.

Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass die Commerzbank-Aktien, so wie die meisten börsennotierten deutschen Großunternehmen, überwiegend in den Depots amerikanischer Kapitalsammelstellen liegen. Auch dieser Befund ist ein Spiegelbild der kümmerlichen deutschen Eigenkapitalkultur. Wenn also die Anteilseigner der Commerzbank sich entscheiden, ein attraktives Übernahmeangebot seitens der UniCredit anzunehmen, so ist daran ordnungspolitisch nichts zu beanstanden. Absurd wäre es indessen, wenn der Steuerzahler, der mit den Commerzbank-Aktien einen hohen Verlust erlitten hat, nochmals zur nationalen Rettung herangezogen würde. Das Sonntagsgerede von der wünschenswerten europäischen Bankenkonsolidierung wäre dann vollends als Papiertiger entlarvt.


Ihre

Fondsmanager und Mitinvestoren

Dr. Christoph Bruns               Ufuk Boydak       

Chicago,                                    Frankfurt a.M. am 30.09.2024