Dabei sind die Handlungsmuster zwischen Regierungspartei und Opposition in Washington keineswegs so divergent, wie sie es etwa in Frankreich oder in Deutschland zu sein scheinen. Ein klares Bekenntnis zu Wirtschaft, Wohlstand, Individualismus und Eigentum zieht sich wie ein roter Faden durch die amerikanische Politik der letzten 250 Jahre. Demgegenüber sieht sich Frankreich wichtigen Richtungsentscheidungen gegenüber. Selbst die Mitgliedschaft in der EU wird dort von Teilen der Opposition in Frage gestellt. An der seit der Auflösung des Parlamentes schwachen relativen Börsenentwicklung des französischen CAC40 lässt sich die Nervosität ablesen, die das politische System in unserem Nachbarland erfasst hat. Seit Jahresanfang liegt der französische Blue Chip Index mittlerweile im Minus, was ihn signifikant von den Indizes in Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien abhebt. Demgegenüber hat der Urnengang auf der britischen Insel auch aufgrund des dortigen Wahlrechts für klare politische Verhältnisse gesorgt, so dass die politische Richtung des Landes für die nächsten Jahre einigermaßen planbar geworden ist.
Allgemein verdichtet sich der Eindruck, dass keine Wirtschaft so sehr unter den politischen Verhältnissen leidet wie die deutsche Volkswirtschaft. Die Zahlen sprechen dabei eine klare Sprache. Auf den Feldern Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Demographie, Staatshaushalt, Wohlstand, Insolvenzen sind alarmierende Statistiken schwerlich zu ignorieren. Während aber die Ampelregierung im Kern die verfehlte Politik der großen Koalition von CDU/CSU und SPD grosso modo fortgeschrieben und um die grüne Ideologie ergänzt hat, formieren sich mit der AfD und dem BSW vor allem in Ostdeutschland Protestparteien, die eine gänzlich andere Ausrichtung wünschen. Zu den Bizarrerien der Entwicklung gehört etwa die Verehrung für Wladimir Putin in beiden Parteien. Zudem sticht der Anti-Amerikanismus ins Auge, der AfD und BSW verbindet und auch in der SPD nicht gänzlich unbekannt ist. Die Verbindung von Nationalismus und Sozialismus ist indessen in Deutschland nicht ohne Vorbilder.
Zu den Ländern mit politischer Unsicherheit gesellte sich zuletzt auch Japan hinzu. Dort erklärte der Ministerpräsident Fumio Kishida, nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Die jüngst zu beobachtende Zeitenwende in Nippon nach Jahrzehnten der Stagnation hat neue Unklarheiten auf den Plan gerufen. Die zurückgekehrte Inflation hat in Gemeinschaft mit dem seit Jahren schwächelnden Yen an der Kaufkraft der Japaner gezehrt. Zusammen mit der eingeleiteten zarten Zinswende in Nippon hat kein anderer Aktienmarkt zuletzt derart große Nervosität gezeigt. Für die Finanzmärkte mag der Wunsch des Kandidaten Trump wichtig sein, die Unabhängigkeit des amerikanischen Notenbanksystems aufzuheben und dem Präsidenten die Gestaltung der Zinspolitik zu ermöglichen. Immerhin lässt sich festhalten, dass die lange Nullzinspolitik (in der Eurozone sogar Negativzinspolitik) und das exzessive Gelddrucken im Rahmen des `Quantitative Easing´ einer hohen Geldentwertungswelle und Kaufkrafteinbußen der Bevölkerung jenseits und diesseits des Atlantiks den Nährboden bereitet hat. Nicht minder spannend ist der Wunsch Trumps, den US-Dollar abzuwerten. Allen Beobachtern sollte jedoch klar sein, dass in jenem Moment, in welchem die USA keinen Zufluss ausländischen Kapitals verzeichnen können, die Politik der chronischen Doppeldefizite (Haushalts- und Handelsdefizit) auf einen Kipppunkt zusteuert. Für die erdrückende Dominanz amerikanischer Finanzmärkte hätte dies unabsehbare Folgen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns