Für den amerikanischen Wirtschaftsraum wurde jüngst eine Geldentwertungsrate von 3% gemeldet. Dieser Wert liegt zwar deutlich oberhalb des Zielwertes von 2%, ist aber gegenüber den veröffentlichten Werten der Vormonate klar rückläufig. Wesentlich schwieriger ist die Situation in Europa. Während Deutschland für den Juli einen vorläufigen Schätzwert von 6,2% vermeldete, sank die Geldentwertungsrate in Spanien auf 1,9%. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich obendrein der Hinweis, dass von wirtschaftlicher Angleichung zwischen den EU Ländern, wie sie durch die Einführung des Euro 1999 angestrebt wurde, bis heute nicht die Rede sein kann. Immerhin sind aber auch in der Eurozone die Inflationsraten rückläufig. Man sollte sich erinnern, dass die Inflationsrate im Oktober 2022 stramme 10,2% betrug. Ebenso ist inzwischen klar erkennbar, dass die gestiegenen Zinsen dämpfenden Einfluss auf die konjunkturelle Entwicklung entfalten. Somit geraten die Notenbanken in ihr klassisches Dilemma, zumal in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort nämlich besteht das Mandat des Federal Reserve Systems darin, für geringe Geldentwertung und Vollbeschäftigung zu sorgen, während die Europäische Zentralbank ausschließlich der Preisstabilität verpflichtet ist. Für die amerikanischen Notenbanker entspannt sich der zielimmanente Konflikt durch die demografiebedingten Verbesserungen am Arbeitsmarkt. Der in der sog. Phillips-Kurve postulierte inverse Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit ist heutzutage weidlich entschärft. Dies erlaubt der Fed, sich vorwiegend der Inflationsbekämpfung zu widmen. Die fortbestehende Vollbeschäftigung in den USA erklärt auch, warum die US-Zentralbank wesentlich aggressiver und schneller die Leitzinsen angehoben hat als etwa die Europäische Zentralbank, wobei zu bedenken ist, dass die europäischen Kurzfristzinsen sogar für einen längeren Zeitraum negativ waren (Stichwort ´Verwahrentgelte`). Insofern wirkt es kurios und aus deutschen Augen sogar unhistorisch, dass Amerika geringere Geldentwertung und zugleich höheren Preisstabilitätseifer an den Tag legt. Dergleichen war zu D-Mark Zeiten, in welchen die Bundesbank noch etwas zu sagen hatte, unvorstellbar. Tempi passati!
Weitaus problematischer als die Leitzinsentwicklung zeigt sich jedoch die Lage am langen Ende der Zinsstrukturkurve. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt derzeit bei ca. 2,5% und damit 3,7% unterhalb der aktuellen Geldentwertungsrate. Zwar sind deutsche Zinsanleger mittlerweile hohe Realzinsverluste gewohnt, im Gegensatz zu den USA ist aber die Realvermögensentwicklung schwach; was freilich auch an der traditionellen Zinsobsession in Deutschland liegt. Aber die inverse Zinsstrukturkurve bringt zusätzliche Herausforderungen für die Marktteilnehmer mit sich, denn die Notenbanken haben in den vergangenen Jahren einen seinerzeit unvorstellbar hohen Betrag an Staatsanleihen am Markt unter der Chiffre ´Quantitative Easing´ aufgekauft. Sollten die Zentralbanker den Zinsmarkt normalisieren und wieder den Marktkräften überlassen wollen, dann müssten sie ungeheuerlich hohe Summe von Anleihen auf den Markt werfen. Es ist nicht zu erkennen, wer diese Anleihen zu den derzeitig gebotenen Renditen (d.h. negativen Realzinsen!) aufkaufen wollte. Insofern hängt über dem Rentenmarkt ein gigantisches Damoklesschwert.
Demgegenüber sind die Marktmechanismen auf dem Aktienmarkt vitaler. Hier ist der Marktprozess von Angebot und Nachfrage strukturell robuster, denn einen dominanten Marktakteur, wie es die Notenbanken am Rentenmarkt sind, gibt es gottlob nicht.
Ihre
Fondsmanager und Mitinvestoren
Dr. Christoph Bruns Ufuk Boydak
Chicago, Frankfurt a.M. am 31.07.2023