Verschobene Grundkoordinaten

Blickt man auf die vergangenen fünfzehn Jahre, dann kommt man an dem Urteil nicht vorbei, dass sich die Grundkoordinaten des Wirtschaftslebens deutlich verschoben haben. Dabei ist die wichtigste Entwicklung die Abschaffung positiver Habenzinsen. Welche langfristigen Auswirkungen diese Entwicklung besitzt, lässt sich heute noch gar nicht abschätzen.

Ohne irgendeinen Zweifel führt aber die Dauernullzinspolitik zu enormen Schuldenausweitungen. Die unangefochtene Leitnation der westlichen Welt, die Vereinigten Staaten von Amerika, geben, wie nicht anders zu erwarten war, den Trend vor. Der Staatshaushalt ist ramponiert, die ehemalige Finanzarchitektur zerrüttet und die Aussichten finster. Ungeachtet dessen vergeben die Kreditbewertungsagenturen Höchstnoten für die USA.

In Europa, wo alles traditionell etwas kleiner ausfällt als in Amerika, obwaltet die gleiche Entwicklung. Und der Ruf nach Staatsgeld wird ständig vernehmlicher. Angesichts der ungünstigen demographischen Entwicklung sind die Wachstumsaussichten strukturell mager. In der Politik wird alles unternommen, diese unvorteilhaften Trends auf außerordentliche Ereignisse zu schieben, wie es allgemein und universell üblich ist. Das ändert aber nichts an dem unvermeidlichen Befund anstehender Wohlstandsverluste. Zur gleichen Zeit ist der Staat Gewinner dieser Tendenz, denn sein Wachstum und seine Rolle als umverteilender gütiger Vater erfährt eine deutliche Stärkung. Eine steigende Zahl von Bürgern gerät in staatliche Abhängigkeit, sei es als Kurzarbeitergeldbezieher, Wohngeldbezieher, Rentenbezieher, Kindergeldempfänger etc. Durch Steigerung der Abgaben- und Steuerlast wird sich die Lücke zwischen beschlossenen Staatsausgaben und Staatseinnahmen nicht mehr schließen lassen. Die notwendigen Gelder müssen durch gigantische Neuverschuldung, die ihrerseits zu einem wachsenden Teil von der Notenbank EZB mit gedrucktem Geld aufgekauft wird, beschafft werden. Eine Abwärtsspirale ist entstanden, aus der es kaum ein Entrinnen mehr gibt.

Was aber soll der Einzelne tun, der um die beschriebene Entwicklung weiß und sein Erspartes produktiv veranlagt gesehen möchte? Die Antwort lautet grob gesprochen: Sachwerte! Innerhalb dieser Kategorie unterscheiden sich die verschiedenen Anlageformen wie z.B. Immobilien, Edelmetalle, Kunst und Aktien sehr erheblich. Vor allem im Hinblick auf Transparenz, Handelbarkeit und Übertragungskosten sind die Unterschiede immens. Ungeachtet dieser Differenzen müssen Renditeaussichten und Risiken kritisch abgewogen werden. Selbstverständlich spielt dabei die Betrachtung von Wert und Preis eine zentrale Rolle, auch wenn man angesichts der Kursentwicklungen bei Internet-Aktien meinen könnte, dieser Zusammenhang sei inzwischen außer Kraft gesetzt. Bei einer solchen Abwägung fällt aktuell auf, dass viele Aktien heute eher günstig sind, während wenige aber prominente Titel überteuert erscheinen. Daher wird in den kommenden Monaten wichtig sein, überbeliebte Aktien zu meiden, unterbewertete Papiere aufzusammeln und im Übrigen den Faktor Zeit ggf. durch Aussitzen zum eigenen Vorteil zu nutzen. 


Ihre

Fondsmanager und Mitinvestoren

Dr. Christoph Bruns               Ufuk Boydak       

Chicago,                                    Frankfurt a.M. am 31.10.2020