Möglicher BREXIT wirft seine Schatten voraus

Zu den Gründen, die auf die Frage genannt werden, warum die Aktienbörsen seit Jahresbeginn ungewöhnlich hektisch ausschlugen, gehört auch die Gefahr eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union.

Die im Februar in Brüssel geführten Verhandlungen zwischen Briten und Kontinentaleuropäern konnten zwar ein für beide Seiten zunächst annehmbares Ergebnis zeitigen, allein beruhigen konnten sie die Austrittsdebatte auf der Insel nicht. An der Börse wurde davon sehr wohl Notiz genommen, indem etwa das britische Pfund zuletzt um über zehn Prozent gegenüber dem Euro abwertete. Für die EU käme der Abschied Großbritanniens aus der Union zur Unzeit, denn der Staatenbund aus 27 Nationen gibt seit geraumer Zeit ein zerfahrenes Bild ab. Da Großbritannien all seiner Probleme zum Trotz aber zu den stärkeren Ländern Europas gehört, käme der Austritt einem Fanal gleich. Während nämlich chronisch vertragsbrüchige und zugleich strukturschwache Länder wie z.B. Griechenland einer Daueralimentierung bedürfen und nicht aus der EU ausgeschlossen werden können, würde sich mit Großbritannien ein Nettozahler verabschieden. 

Interessant ist vor dem Hintergrund des drohenden BREXIT der Vorschlag einer Fusion von Deutsche Börse AG und London Stock Exchange PLC, zumal die Wahl des Zeitpunkts in doppelter Weise unangemessen scheint. Denn erstens wirft die Volksabstimmung über Großbritanniens Verbleib in der EU zusätzliche Fragen auf und zweitens hat der seit Jahren schwache Euro die Übernahmeposition der Deutsche Börse AG erheblich geschwächt. Insgesamt wird den Vorständen der beiden börsennotierten Unternehmen jedoch klar geworden sein, dass auf der Weltbühne der Börsen nur eine größere Einheit eine führende Rolle spielen können wird. 

Chart der Deutsche Börse AG

Für die Deutsche Börse ist die Entwicklung in mancherlei weise bitter, denn sie hat in den letzten fünfzehn Jahren mehr als einmal versucht, kluge strategische Übernahmen aus einer Position der Stärke zu realisieren. Zu denken ist dabei an den Versuch, die Londoner Derivate Börse (LIFFE) zu übernehmen. Außerdem waren die Bemühungen der Deutsche Börse AG klug, dem Derivatehandel in Chicago vor Ort Wettbewerb zu liefern. Ebenso sinnvoll war das Unterfangen, die New York Stock Exchange zu kaufen. Letztlich konnten alle diese richtigen Initiativen nicht zum Erfolg gebracht werden. Dafür waren nicht zuletzt politische Gründe ausschlaggebend, denn Börsen werden selbst noch in diesem Jahrhundert zum Teil als nationale heilige Kühe angesehen. Hinzu kommt noch, dass die große Mehrheit der Deutsche Börse Aktien seit Jahren in ausländischer Hand liegt und diese Anleger üppige Dividenden und Aktienrückkäufe gegenüber der strategischen Weiterentwicklung des Unternehmens vorziehen. Die Deutsche Börse AG, die vor ihrem Börsengang 1999 den deutschen Banken gehörte, hat sich seither prächtig entwickelt. Ganz im Gegensatz zu ihren vormaligen Eigentümern, die den Börsengang mehr oder minder rasch zum Ausstieg aus der Deutsche Börse AG nutzten, gehört die Deutsche Börse zu den besten Gesellschaften, die im DAX versammelt sind. 

Der jüngste Versuch der Deutsche Börse AG, einen unangefochtenen europäischen Marktführer im Börsenhandel sowie im lukrativen Derivategeschäft zu schaffen, ist ein nachvollziehbarer Versuch, den Börsenrealitäten Rechnung zu tragen. Denn im Aktienhandel ist Deutschland gegenüber den großen Aktienmärkten USA, Japan, China und Großbritannien ein unbedeutender Winzling. In Deutschland gibt es kaum kapitalunterlegte Versorgungssysteme und die Aktie führt angesichts einer weit verbreiteten Staatsgläubigkeit nebst Zinsfokussierung ein Schattendasein. Auch ist die staatliche Abgabenlast wohl zu hoch und die ökonomische Bildung zu gering, um private Vorsorge in nennenswertem Umfang zu erlauben. Selbst der Aktienmarkt der Schweiz, mit ihren acht Millionen Einwohnern, ist nicht kleiner als der deutsche Aktienmarkt. Insofern wäre es lächerlich, wenn mit nationalen Befindlichkeiten seitens der Politik versucht würde, der sinnvollen Unternehmensentwicklung der Deutsche Börse AG Steine in den Weg zu legen. Vielmehr wird man sich hierzulande damit abfinden müssen, dass Unternehmen keine patriotischen sondern ökonomische Wege beschreiten müssen, um die Ziele ihrer Eigentümer zu erreichen. Das Vergießen von Krokodilstränen, ob des angedachten Sitzes der Deutsche Börse AG am größten Finanzplatz Europas in London, ist daher peinlich. Das Abwandern dieses Unternehmens muss auch als Konsequenz der jahrzehntelangen steuerlichen und regulatorischen Diskriminierung der Aktienanlage in Deutschland durch die Politik gewertet werden.

Ihre 

Fondsmanager und Mitinvestoren


Dr. Christoph Bruns        Ufuk Boydak